Endlich Leben!

Schon als Kind erlebte ich, dass meine Fragen über das Sterben nicht ausreichend beantwortet werden konnten, dass der Tod etwas sehr Gefürchtetes war und das Thema generell gemieden wurde. Mit siebzehn begann ich dann Bücher von Elisabeth Kübler-Ross über das Sterben zu lesen. Dieses Thema sollte mich nicht mehr loslassen, und heute kann ich sagen, dass gerade die Beschäftigung mit dem Tod unendlich viel Licht und Intensität in mein Leben bringt. Seit mehreren Jahren arbeite ich nun auch für das Berliner Kinderhospiz, begleite Eltern, erkrankte Kinder und deren Geschwister und gebe Fortbildungen für ehrenamtliche Mitarbeiter und Ärzte der Palliativmedizin. Ich lerne unendlich viel von den Kindern und ihren Eltern. Mir begegnen Menschen, die dem Tod direkt ins Auge sehen müssen. Jeder der mit Sterbenden zu tun hat, wird sich auch seiner eigenen Endlichkeit bewusst. Jeder der selbst eine schwere Erkrankung überlebt hat, sieht anders auf seine begrenzte Lebenszeit. Seit ich diese Erfahrungen machen darf, sind mir Formulierungen wie “die Zeit totschlagen”, “die Woche rumkriegen” o. ä. noch fremder. Jeder Moment wird kostbar im Angesicht des Todes. Ja, das Leben wird heller, nicht dunkler, wenn ich den Tod als Teil des Lebens betrachte. Es ist endlich dieses Leben. Deshalb beginne endlich zu leben! Warum braucht es erst ein Nahtod-Erlebnis oder eine schwere Diagnose, um die Kostbarkeit unserer Lebenszeit zu erkennen? Wir sterben. Jeder. Das steht fest seit unserem ersten Atemzug. Wir werden geboren, atmen zum ersten Mal ein und irgendwann werden wir zum letzten Mal ausatmen. Die Zeit dazwischen ist ein Geschenk. Messbar in Sekunden, Minuten, Stunden, Tagen, Wochen, Jahren, Jahrzehnten. Aber was heißt das? Was ist Zeit? Ein Tag kann so wach und voller Licht gelebt sein, ein Jahrzehnt so verschlafen und dunkel verstreichen.
Das Leben ist ein Geschenk…wertvoll und endlich.
Endlich Leben!

(geschrieben am 23.04.2014 von Karin Krümmel, Dipl.-Psych. und LifeCoach)

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