Erhellende Geschichte: Die Möhre vor des Esels Nase
Es war einmal ein kleiner Esel, dem wurde gesagt, dass “einfach nur Esel zu sein” im Leben nicht genügt. Also hing man ihm eine Möhre vor die Nase, mit einer Halterung an ihm selbst befestigt. Somit befand sich die Möhre immer einen halben Meter vor ihm und spornte ihn an, sich vorwärts zu bewegen. ‚Wenn ich mich ordentlich anstrenge bis ich die Möhre habe, werde ich glücklich und zufrieden sein‘, dachte sich der Esel. ‚Solange ich die Möhre nicht erreiche, war ich wohl noch nicht gut genug und muss einfach noch weiter üben‘, so des Esels Plan. So verbrachte der Esel ein anstrengendes Leben ohne je mit sich selbst, so wie er gerade war, zufrieden sein zu können.
Als der Esel immer älter und auch schon müde wurde, begegnete ihm ein kleines Mädchen. Es interessierte sich nicht für die Möhre. Es sah nur den Esel liebevoll an und jubelte: “Was für ein wunderschöner und großartiger Esel du doch bist!” Der Esel erschrak und konnte die Worte des Mädchens kaum glauben. Er war ja nicht einmal fähig, die Möhre direkt vor seiner Nase zu erreichen…Er dachte bei sich: ‚Ich bin ja nichts geworden in meinem Leben. Bin eben doch einfach nur ein Esel. Und das allein sollte schon genügen, großartig zu sein?‘ “Ich bin großartig?” flüsterte zaghaft fragend der Esel. ‚Wenn das wahr wäre, was könnte ich alles ausprobieren in meinem noch verbleibenden Leben. Ich würde mich nicht mehr um die Möhre kümmern, sondern erkunden, wohin mich meine starken Beine tragen können und herausfinden, was in meinem Eselleben noch alles möglich ist…was wäre das für eine Freude!‘ Da beschloss der Esel, dem kleinen Mädchen einfach zu glauben. Er schmiegte sich sanft an sie, dankte ihr und rannte los…so schnell und freudig wie nie zuvor, ohne auf die dumme Möhre zu achten.
…und wenn er nicht gestorben ist, so lebt er noch heute ein wunderbares Eselleben als ein einfach nur großartiger Esel – einfach so, wie er ist.
(Autorin: Karin Krümmel)
Eine wunderbare Geschichte, eine zu Herzen gehende Parabel, die mir besonders nahe ging. Sie beinhaltet so viel Schönes und Tröstliches für die vielen “kleinen Esel” auf der Welt, denen man eine unerreichbare “Möhre” vor den Kopf gehängt hat, die darüber gealtert und unzufrieden mit dem Leben und mit sich selbst geworden sind. Denen dann irgendwann ein kleines Mädchen begegnet und zu ihm sagt: “Du bist großartig !” – und der kleine Esel erkennt staunend, wie gut und wichtig er selbst und sein Leben eigentlich ist. Er dankt dem kleinen Mädchen, besinnt sich auf sich selbst, seinen Wert und seine Größe, gewinnt Lebensfreude und achtet nicht mehr auf die dumme Möhre; er jagt nicht mehr Unerreichbarem nach, sondern lebt in Gegenwart und Zukunft zufrieden und froh.